Superbowl: Der zweite Streich von «Houdini» Mahomes (2024)

Dank einem eindrücklichen Comeback gewinnen die Kansas City Chiefs ihren zweiten Super Bowl innert vier Jahren. Der Quarterback Patrick Mahomes beweist hohe Schmerztoleranz. Und schreibt weiter an seinem Heldenepos.

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Als der Stern von Patrick Mahomes vor ein paar Jahren so richtig aufging und der Quarterback damit begann, Rekord um Rekord zu brechen, schrieb ein Lokaljournalist in Kansas City resigniert, ihm gehe das Vokabular aus, um die Darbietungen des Überfliegers adäquat zu würdigen. 2018 war das. Und inzwischen sieht sich die Sport-Journaille diesem Problem kollektiv ausgesetzt.

Mahomes, 27, ist spätestens seit dem Rücktritt Tom Bradys das wichtigste Aushängeschild in der Glitzerwelt der National Football League (NFL). Mahomes hat die Liga in kürzester Zeit erobert, er ist ein umgänglicher, fotogener, verhältnismässig bodenständiger Held, dem es gelingt, aus den unmöglichsten Situationen noch Raumgewinn für sein Team herauszuschlagen.

Travis Kelce, sein bevorzugter Passempfänger, nennt ihn «den Houdini unserer Zeit», weil er als Entfesselungskünstler der NFL Grenzen verschiebt und es gut möglich ist, dass auch sein Name in hundert Jahren noch einer breiten Öffentlichkeit geläufig sein wird. Wie der ungarisch-amerikanische Illusionist ermöglicht Mahomes einer breiten Masse den Eskapismus.

Mahomes und Kansas City waren in der zweiten Halbzeit nicht mehr zu stoppen

Mahomes arbeitet fleissig an seinem Vermächtnis, in der Nacht auf Montag kam ein weiteres Kapitel dazu. In Glendale, Arizona, führte er die Kansas City Chiefs zu einem spektakulären 38:35-Sieg gegen die leicht favorisierten Philadelphia Eagles. Mahomes spielte angeschlagen, eine Knöchelverletzung hatte ihn schon die letzten Wochen über behindert. Nach einem Zusammenprall humpelte er kurz vor der Pause vom Feld, es stand 14:24, es sprach nicht mehr viel für die Chiefs.

Doch Mahomes biss die Zähne zusammen – und orchestrierte ein furioses Comeback. Er, der kurz vor dem Super Bowl als wertvollster Spieler der Saison ausgezeichnet worden war, führte die Chiefs nach 2020 zum zweiten Mal zum Titel. Und bewies, dass er seinen Rekordvertrag wert ist: 2020 hatte er um zehn Jahre und für 450 Millionen Dollar verlängert, mit Bonuszahlungen kann der Betrag sogar auf 503 Millionen steigen.

Für die Chiefs ist Mahomes jeden Cent wert, er hat die zuvor chronisch erfolglose Franchise aus einer der kleinsten Metropolregionen der NFL wachgeküsst und ihr neben dem Glanz des sportlichen Erfolgs globale Beachtung zugeführt. Seit Mahomes 2018 zum Nummer-1-Quarterback aufgestiegen ist, stand Kansas City drei Mal im Super Bowl, zwei Mal fehlte nur ein Sieg zum Einzug.

«Wir sind Super-Bowl-Champion. Aber das ist noch keine Dynastie, wir sind noch nicht fertig», sagte Mahomes im Konfettiregen. Und lag damit falsch: Die Dominanz der Chiefs ist bemerkenswert, eine vergleichbare Serie haben in der NFL der Neuzeit eigentlich nur die New England Patriots geschafft, der langjährige Arbeitgeber von Tom Brady.

Der Sohn des Trainers Andy Reid starb an einer Überdosis Heroin

Das ist in erster Linie das Verdienst von Patrick Mahomes, aber auch von Andy Reid. Reid, 64, ist der Coach der Chiefs und so etwas wie der Mentor von Mahomes. Er ist einer der erfolgreichsten und beliebtesten Trainer der Liga-Historie. Viele Menschen können sich mit Reids sehr amerikanischer Biografie identifizieren, seine Geschichte handelt von Fleiss und Aufstieg, von Bescheidenheit, von Verlust und Schmerz, vom Scheitern auch.

In jungen Jahren ist Reid nicht talentiert genug für eine Profikarriere, er steigt bereits mit 22 Jahren ins Trainergeschäft ein. Weil das Geld nicht reicht, um die Familie durchzubringen, arbeitet er nebenbei als Baseball-Schiedsrichter, für 15 Dollar pro Partie. Und als er 1992 bei den Green Bay Packers Tight-Ends-Coach wird, fährt er jeden Morgen schon um 3 Uhr 30 ins Büro, damit er dreieinhalb Stunden später zu Hause das Frühstück zubereiten und die Kinder in die Schule fahren kann, unter ihnen die Söhne Garrett und Britt, die Sorgenfälle der Familie.

Beide schlittern in die Drogensucht ab, nachdem sie schmerzhafte Verletzungen mit Oxycontin betäubt hatten, so wie das Hunderttausende von Amerikanern tun. Garrett stirbt 2008 an einer Überdosis Heroin. Sein Vater sagt, er habe acht Jahre lang gegen die Dämonen seines Sohnes gekämpft. Aber diesen Kampf habe er nicht gewinnen können. Er flüchtete sich in die Arbeit. Und hat nun zum zweiten Mal den Super Bowl gewonnen, nachdem er zuvor oft dramatisch gescheitert war.

Mahomes derweil hätte diesen Sport eigentlich gar nie ausüben sollen. Sein Vater Pat spielte von 1993 bis 2002 in der Major League Baseball (MLB), und der Sprössling offenbarte als Werfer so viel Potenzial, dass sein Weg vorgezeichnet schien. Die Detroit Tigers sicherten sich die Rechte an ihm im MLB-Draft von 2014. Der Vater versuchte, ihn vom Football fernzuhalten, zu gefährlich und gesundheitsschädigend, doch der Filius hatte andere Pläne. Als man ihn in der Highschool zum Spielmacher bestimmte, hatte Mahomes seine Passion gefunden. Er liess sich nicht mehr umstimmen.

Heute ist er der beste Quarterback der Welt. Als Mahomes 2018 noch ein Emporkömmling war und niemand wusste, ob er seine Brillanz würde konservieren können, versuchte Reid die Erwartungen zu dämpfen und sagte: «Die gegnerischen Defensiven werden ihn studieren und ihre Lehren ziehen. Es wird nicht einfacher für ihn werden.» Fünf Jahre später gibt es genügend Videomaterial für mehrere abendfüllende Lehrfilme – und doch schafft es kaum jemand, Mahomes zu neutralisieren.

Mahomes ist erst 27 Jahre alt, und der Vertrag bei den Chiefs läuft noch bis 2031. Für die Konkurrenz müssen sich diese Kennzahlen wie eine Drohung anhören. Die amerikanischen Journalisten werden möglicherweise nicht umhinkommen, ein paar neue Wortschöpfungen zu kreieren, um dem Phänomen Mahomes gerecht zu werden.

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